| Prolog: | Seven Hills |
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1. Zeitalter: |
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| 2. Zeitalter: | Die Feenkönigin · Im Reich des Todes · Die Rückkehr des Kriegsherren · Pfad der Tränen · Das Rheingold · Raue Winde |
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3. Zeitalter: | Lerchenkrieg · Die Hexe |
Die Hexenkönigin von Bruchhausen

"Folterung einer Hexe", Holzstich nach einer Zeichnung von Ferdinand Piloty (1828-1895)
Der Karren klapperte über den holprigen Feldweg. Bei jedem Ruck schmerzte Annas maltretierter Körper noch mehr, als er es ohnehin schon tat. »Bald hat mein Leid endlich ein Ende!« dachte sie, während sie auf dem Karren lag und in den Himmel starrte. »Meine letzte Fahrt. Dann wird mein Erlöser mich zu sich holen.«
Es war nur leicht bewölkt an jenem Montag Morgen. Montag, der 22. September 1631.
»Oder ist heute schon der 23.?« - sie wusste es nicht genau.
Jegliches Zeitgefühl war verloren gegangen. Zu viele Tage hatte sie im Turm von Erpel verbracht. Verhöre und Folter hatten sich ständig abgewechselt,
bis ihr Wille gebrochen worden war. Das Bild des Stachelstuhls, auf dem sie eine ganze Nacht verbracht hatte, schoss ihr durch den Kopf. Ein kalter
Schauer lief ihr sogleich über den Rücken und sie spürte erneut den stechenden Schmerz an allen Einstichstellen ihres Körpers.
Sie versuchte diese Gedanken zu vertreiben, indem sie den Vögeln lauschte und die Blätter beobachtete, wie sie goldrot von den Bämen fielen.
Doch da war noch dieses penetrante Gemurmel. Vor dem Karren gingen der Hexenkommissar des Erzstifts Köln Dr. Möden, der Pfarrer von Bruchhausen
und noch ein paar weitere wichtige Personen aus Erpel. Anna konnte nicht genau verstehen, was sie sagten. »Vermutlich erzählen sie sich, was sie
mit meinem Vermögen machen werden!« dachte sie. Und tatsächlich hörte sie die Stimme des Pfarrers sagen, dass die Kirche in Bruchhausen einen
neuen Boden bekommen soll. Auch Dr. Möden hatte sich bereichert und noch Andere, die angeblich Gläubiger ihres Vaters gewesen sein sollen.
Aber Anna wusste, dass ihr Vater keine Schulden mehr gehabt hatte! Vor 11 Jahren hatte er diese durch den Verkauf von Ländereien vollständig beglichen.
Sie wusste auch, dass sie nicht die erste wohlhabende Frau war, die als Hexe verurteilt wurde. Die reiche Kaufmannswitwe Christina Böffgens aus
Rheinbach starb kürzlich bereits während der Folter. Ihr Kommissar Herr Buirmann war sogar kurz darauf in ihr Haus eingedrungen und hat Bargeld
und Wertpapiere an sich gebracht!
»Mögen diese gierigen Geldwölfe in der Hölle schmoren!« dachte sie.
Hinter dem Karren hörte sie das Gemurmel der vielen neugierigen Dorfbewohner - die meisten waren aus Bruchhausen, ihrem Heimatdorf, am Fuße der Seven Hills.
Dort hatte sie von ihrer Hochzeit bis zur Verhaftung ihr Leben verbracht. In der Spee-Burg, die nach dem Tod ihres Mannes Robert Spee ihr zugefallen war.
»Hexe!« murmelten sie, »Geschieht ihr doch recht!«.
Viele von ihnen hatten sie denunziert und der Hexerei bezichtigt. Sie habe vor langer Zeit angeblich ein Kind von ihrem Schwager bekommen,
während der Ehe in Hurerei gelebt, auch mit Geistlichen soll sie verkehrt haben, und sie habe sich mit dem Pferdeknecht eingelassen. Auch
nach dem Tod ihres Mannes habe sie einen unsittlichen Lebenswandel geführt und diesen Pferdeknecht gegen den Willen ihrer Kinder geheiratet.
Die schlimmsten Vorwürfe kamen aber von denjenigen, die selbst unter Folter nach Mittäterinnen gefragt wurden: Ihre Patentochter Ilse,
Frau Margarete Faßbender, Baw Jans Gritten zu Orsberg. Diese behaupteten, sie habe als »Königin« am Hexensabbat teilgenommen - und zwar
tanzend, bei üppigem Mahl in stattlichen Kleidern, neben einem großen schwarzen Mann mit spitzem Hut. Dies sei der Teufel selbst gewesen!
Ihr verstorbener Ehemann wäre auch als ein »Oberster« dort gewesen. Sie habe mit dem Teufel einen Pakt gehabt und mit ihm bei dem Sabbat
verkehrt. Auf einem goldenen Wagen sei sie gekommen und am Ende damit durch die Luft gefahren...
»Hexe!« Hörte sie immer wieder aus der Menge, die hinter dem Karren her ging.
»Diese Schwindelhirne!« dachte sie. »Es war entweder der Neid auf unsere Stellung und Ländereien oder die Qualen der Folter, die zu solcherlei
Anschuldigungen geführt haben!«
Die Prozession hatte in Bruchhausen begonnen und ging jetzt durch das Kasbachtal den Hügel hinauf. Im »Eulenloch« - der Richtstätte -
sollte sie verbrannt werden. Anna wurde immer bewusster, dass ihre letzte Stunde geschlagen hatte. Und doch kam ihr jede Minute, die sie
liegend auf diesem Karren verbrachte, wie eine Ewigkeit vor.
Ihr ganzes Leben zog an ihr vorbei wie die herbstlichen Baumwipfel in ihrem
Sichtfeld. Ihre Kindheit in Rheinbrohl, der Tag, an dem ihr Schwager Robert sie als Dreizehnjährige verführte und vergewaltigte, dann die
arrangierte Ehe mit dem 30 Jahre älteren Robert Spee...
Einige der Vorwürfe stimmten. Sie war vor der Ehe durch ihren Schwager Robert schwanger geworden und hatte ihm ein Kind geboren. Doch Margrit, die Tochter ihres Schwagers
Johann, war nicht von ihr. Auch wenn sie genau das während der Folter gestehen musste! Aber die Schmerzen waren so groß, dass
sie einfach nur schrie: »Sagt mir, was ich gestehen soll!«. Dass sie mit beiden Schwagern verkehrt habe, war eines der Geständnisse,
die sie machen musste, nur damit die Folter endlich aufhörte.
Die Gerüchte über ihre Ehe mit Robert Spee hatten auch einen wahren Kern. Diese Ehe war nun wirklich nicht das, was sie sich erträumt hatte!
Der Unterschied von 30 Jahren war zu groß. Viel lieber hätte sie einen jungen ansehnlichen Mann in ihrem Alter geheiratet, aber sie durfte
ihren Gemahl nun mal nicht auswählen. Und obwohl sie mit Robert nicht glücklich war, so war sie ganz sicher keine Hure! Sie schenkte ihm fünf
Kinder: Johann, Agnes, Susanna, Margaretha und Gertrud.
Robert starb im hohen Alter von 70 Jahren. »Gott sei seiner Seele gnädig!«. Für die inzwischen 40 jährige Anna war sein Tod aber eine
Erleichterung: zum ersten Mal in ihrem ganzen Leben musste sie nicht das tun, was ihr befohlen wurde. Sie legte den Namen »Spee« ab und nahm
ihren Mädchennamen »Nürberg« wieder an. Nach dem Trauerjahr heiratete sie den wohlhabenden Großgrundbesitzer Konrad Cron. »Pferdeknecht«! hatte
man in die Prozess-Akte geschrieben... »So ein Unfug!« dachte Anna empört. »Ich eine Hexe, Konrad ein Pferdeknecht... Da wurde alles so verdreht,
wie es den Richtern beliebte. Eine große Pferdezucht hat er, neben seinem anderem Vermögen!«
Fast eine halbe Stunde waren sie schon unterwegs - sie müssten gleich da sein. In ihr kam eine große Flut an Gefühlen hoch: Angst, Verzweiflung
aber auch Wut. Viel Wut. »Ja, ich bin eine Sünderin und ich hoffe von ganzem Herzen, dass der Herr sich meiner Seele erbarmt!« dachte Anna.
»Aber der Hexenkomissar Möden und auch sein Kollege Buirmann, sie richten unschuldige Menschen hin und bereichern sich an ihrem Vermögen im
Namen des Herrn! Sie sind die wahren Verbrecher und selbst des Teufels! Mögen sie in der Hölle schmoren!«
Sie war so schwach, dass sie sich kaum
bewegen konnte. Aber sie stellte sich vor, dass sie sich auf dem Karren aufrichtete und ihren Mördern ins Gesicht schreien würde:
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»Mein Hab und Gut, mein Land, mein Gold, |
Anna Katharina Spee wurde als sogennante »Hexenkönigin von Bruchhausen« im Eulenloch verbrannt.
Gemäß ihres letzten Wunsches wird bis auf den heutigen Tag jeden Samstag eine Messe in der Pfarr- und
Wallfahrtskirche St. Johann Baptist in Bruchhausen für sie verlesen.
Im Jahre 1636 spendeten ihre Kinder das Votivbild
der Schmerzreichen Mutter Maria an diese Kirche. Das Ölgemäde hängt dort heute noch. Die Schrift im
schwarzen Holzrahmen gibt die Namen der Stifter an, die im Bild - relativ klein - vor Maria knien: Johann Jakob Spee
und Agnes Spee mit ihrem Ehemann Andreas Bachem.
Nach 1636 gibt es von Johann Jakob Spee, Anna Katharina Spees Sohn,
kein Lebenszeichen mehr. Es heißt, »er verschwand in fremden Landen«.
Ihr Schwager, der Jesuitenpater
Friedrich Spee, sprach sich einige Monate vor der Hinrichtung in seinem Buch »Cautio Criminalis« als einer der
ersten Personen seiner Zeit öffentlich gegen Hexenprozesse aus. Auch wenn dieses Werk Annas Hinrichtung nicht abwenden
konnte, so trug es entscheidend zum Ende des Hexenwahns in Deutschland bei.

Anmerkung:
Ähnlich eines historischen Romans erhebt diese historische Kurzgeschichte
keinen zwangsläufigen Anspruch auf wissenschaftliche
Richtigkeit. Viele Fragen rund um den Prozess werden für immer ungeklärt bleiben, beispielsweise welche Aussagen Anna Katharinas
vor und während der Folter wahr und welche unwahr gewesen sind. In dieser Geschichte werden als wahr jene hingestellt, die vor oder
zu Beginn der Folter getätigt wurden, alle Aussagen, die entweder zu einem späten Zeitpunkt der Folter von 9 Tagen getätigt wurden, oder die sie
zwischenzeitlich widerrief, als unwahr.
Diese Kurzgeschichte steht in keinem Widerspruch zu den historischen Tatsachen, auch wenn
einige Details frei erfunden sind. Einen Aspekt haben die Komponisten des Musikstücks »Witch« allerdings verändert: Anna Katharina Spee
wurde durch den Henker erst erdrosselt bevor sie verbrannt wurde. Diese Veränderung geschah im Kontext der künstlerischen Freiheit als Mahnmal und in
Gedenken an all' jene Frauen, die als Hexen bei lebendigem Leibe verbrannt wurden.
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